...das Ziel verfehlt? Berufsverbände und Reittherapie - ein ganz eigenes Kapitel

 

Ein provokanter Titel, ich weiß, aber wenn man sich mal etwas näher mit dem Thema "Berufsverband & Reittherapie" bzw. "tiergestützte Therapie" befasst, dann kommt einem unweigerlich diese Frage... Zumindest mir ging es so.

Es fing ganz harmlos an... Ich hatte damals die Absicht, mich dem Berufsverband für tiergestützte Therapien anzuschließen und mich dort auch aktiv einzusetzen. Doch das stellte sich als gar nicht so einfach heraus, denn es gab und gibt da gleich mehrere - unterschiedlichste - "Vereinigungen" mit unterschiedlichsten Inhalten...

 

Aktuell ist die Lage in Deutschland noch so, dass es für Reittherapeuten bzw. für tiergestützte Therapien generell keine staatliche Anerkennung und ebenfalls keinerlei einheitliche Qualitätsstandards gibt. Weder was die einzelnen „tiergestützt arbeitenden Therapeuten“ noch was die Träger der Aus-/Weiterbildungen in diesem Bereich betrifft. Das bedeutet, dass sich jeder (wirklich jeder!) z.B. Reittherapeut nennen darf und auch als solcher Angebote machen darf. Oder Reitpädagoge. Oder Fachkraft für tiergestützte Interventionen. Oder, oder, oder. Ganz egal – jeder darf sich so nennen und jeder darf diesen Beruf ausüben. Heftig, oder?

 

Und – und das ist vielen nicht bewusst - auch jeder darf eine Ausbildung zu diesem Thema anbieten – ganz egal, wie gut, erfahren, verantwortungsvoll, strukturiert oder was auch immer er oder sie ist – oder eben auch nicht.

 

Es gibt noch sehr viele weitere berufliche Tätigkeiten in Deutschland bei denen das so ist und dies hat sowohl negative als auch positive Seiten - wie bei so ziemlich allem in diesem Leben :-).

 

Doch genau aus diesem Grund - dass es keine einheitlichen Standards gibt -  gibt es leider,  wie könnte es anders sein, auch „schwarze Schafe“ auf dem Markt – ebenfalls sowohl unter den Therapeuten an sich, genauso aber auch unter den Ausbildungsträgern. Das ist eine äußerst unbefriedigende Situation. Mir persönlich liegt es sehr am Herzen, hier meinen Beitrag dazu zu leisten, damit diese geniale berufliche Tätigkeit zum einen auf einem hohen qualitativen Niveau praktiziert wird – und zum anderen ebenso darauf geachtet wird, dass die Aus-/Weiterbildungen hierfür ebenfalls qualitativ hochwertig sind.

 

Dennoch kann ich mich nicht dazu entschließen, mich mit dem Therapiehof Brachfeld irgendeinem der aktuell existierenden anzuschließen.

 

Das hat gleich mehrere Gründe – beginnen möchte ich einmal mit der Vielzahl an Möglichkeiten. Denn leider ist es nicht so, dass es für tiergestützt arbeitende Menschen z.B. einen Berufsverband in Deutschland gibt, wie es eigentlich zu erwarten wäre. Denn es wird dann gleich mal unterschieden zwischen „tiergestützt“ und „pferdegestützt“, es wird eine Trennung unternommen zwischen Pferden und anderen Tieren. Bzw. die pferdegestützt arbeitenden Menschen nehmen sich raus und gründen „eigene“ Berufsverbände. Aus welchem Grund? Da gibt es sicherlich viele – wenn es aber um eine Vereinheitlichung von tiergestützt arbeitenden Berufsbildern geht macht das wenig Sinn und schwächt beide – sowohl die „tiergestützten“ Vereinigungen als auch die „pferdegestützten“ Vereinigungen. Gemeinsam wären sie stärker, da bin ich mir sicher.

 

Dann – als wäre das nicht schon seltsam genug - gibt es innerhalb der pferdegestützten Berufe nicht – wie anzunehmen wäre – einen Berufsverband, sondern gleich mehrere… Verrückt, oder?

 

 

 

Es gibt z.B. den Bundesverband für therapeutisches Reiten und tiergestützte Therapien, den Berufsverband PI e.V. (Pferdegestützte Interventionen), das Deutsches Kuratorium für Therapeutisches Reiten e.V., das sich als bundesweit agierender Fachverband für therapeutisches Reiten in Deutschland präsentiert, den Bundesverband Tiergestützte Intervention e.V.

 

Daneben gibt es dann doch den ESAAT, European Society for Animal Assisted Therapy (Europäischer Dachverband für tiergestützte Therapie) und die ISAAT -  International Society for Animal Assisted Therapy, die versuchen, den ganzen „Haufen“ – unter einen Hut zu bringen. Was an sich ja schon mal ein guter Ansatz ist.

 

Somit wäre meiner Ansicht nach ein sinnvoller Schritt, sich an letztere zu wenden um den Versuch, gemeinsam etwas zu erreichen, zu unterstützen.

 

Doch bei genauerem Hinsehen wird schnell klar, dass das mit Qualitätssicherung nicht mehr viel zu tun hat, beispielsweise  wenn man einmal das Thema  Tierschutz anschaut:

 

Denn hier sind die Ansprüche beim ESAAT so niedrig - dass mir erst einmal die Worte gefehlt haben… Unglaublich!

Es wird lediglich verlangt, dass die Tiere gemäß dem – im jeweiligen Land geltenden - Tierschutzgesetzt untergebracht/gehalten werden. Und da steige ich persönlich bereits gedanklich aus. Denn würde ich meine Tiere so halten, wie es das deutsche Tierschutzgesetz „erlaubt“, dann ginge es ihnen schlecht. Sehr schlecht. Dann könnte ich sie in Boxen stecken (3x3 Meter), mit täglich einer Stunde Weidegang oder Bewegung… etc. etc. Das Bewegungstier Pferd - das um gesund sein und bleiben zu können einfach extrem viel mehr Platz braucht als 9 Quadratmeter. Unverglichlich viel mehr Platz.

Dann hätte ich keine vor Freude strotzenden, mitarbeitswilligen Therapietiere die möglichst ausgeglichen und zufrieden sind, sondern traurige, frustrierte, nicht ihrer Art entsprechend gehaltenen Tiere (soweit das eben möglich ist), die ein Leben leben müssen, das sie absolut nicht verdient haben. Hier an anderer Stelle gerne mehr dazu, es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen... Da die Tierschutzgesetze sogar in Deutschland noch Lichtjahre davon entfernt sind, die Tiere vor einer Unterbringung oder Behandlung zu schützen, die ihnen schadet - und Deutschland jedoch zu den Ländern mit dem "besten" Tierschutzstandard innerhalb der EU gehört - habe ich keinerlei Verständis dafür, dass ein "Dachverband" der für Qualität sorgen möchte, sich mit solch niedrigen Tierschutzanforderungen überhaupt identifiziert. Eigene - an den Bedürfnissen der jeweiligen Tierart gemessene - Standards sollten obligat sein.

 

 

Davon mal ganz abgesehen – wenn Tiere in Deutschland so untergebracht sind bzw. gehalten werden, dass das Veterinäramt eingreifen darf (um sie zu schützen), dann sieht das bereits ein Blinder mit Krückstock (sorry an alle, die nicht/nicht gut sehen). Ganz im Ernst, wenn diese Gesetze nicht eingehalten werden, dann bringt da auch keine Mutter ihr Kind zur Therapie hin, geschweige denn dass jemand als Erwachsener selbst dann eine Therapie dort macht. Denn dann ist die tierschutzwidrige Unterbringung geradezu offensichtlich.

 

Würden beim ESAAT Grundvoraussetzungen an die Haltung der Tiere gefordert – unabhängig vom jeweiligen Land – die sich tatsächlich an den artgemäßen Bedürfnissen der jeweiligen Tierart orientieren, dann wäre meiner Ansicht nach etwas gewonnen. So, wie die Voraussetzungen zu diesem Thema momentan beim ESAAT sind – ist das aus meiner Sicht ein Armutszeugnis und für viele Tiere einfach nur traurig und schlimm. Immer noch gibt es z.B. unter den Reittherapeuten viele zu finden, die ihre Pferde in Boxen halten und das nicht mal in Frage stellen. Was sie ihren Tieren damit antun – nicht nur psychisch sondern auch physisch – dafür fehlen mir einfach die richtigen Worte. Und dass das gerade auch in Deutschland noch vielerorts unhinterfragt als „normal“ angesehen wird ist einfach nur schrecklich.

 

Es wird noch schöner... Denn liest man in den Grundsätzen des ESAAT weiter, wird man beim Thema „Tiergestütztes Arbeiten mit Pferden“ zu allem Übel auch noch auf die Richtlinie 98/58/EG des Rates vom 20.Juli 1998 verwiesen – allen Ernstes. Dort geht es um Tierschutz für Nutztiere – diese armen Geschöpfe, die als „Nutztiere“ gehalten werden leiden in den allermeisten Betrieben trotz bzw. vielleicht auch gerade wegen dieser haarsträubenden Dinge, die hier legalisiert werden. Gerade die Nutztiere, aus denen die Menschen tatsächlich einen Nutzen ziehen, sollten doch bestmöglich behandelt werden – nur leider ist das Gegenteil der Fall. Leider gibt es nur sehr wenige Ausnahmen, die diese Regel bestätigen… Ich habe mir die Mühe gemacht, ein wenig rein zu lesen in diese Richtlinie – und mir fehlen auch hier die Worte. Wenn das der Tierschutzstandard ist, der vom ESAAT eingefordert wird – dann frage ich mich allen Ernstes, welche Interessen hier dahinter stehen. Eine qualitativ hochwertige tiergestützte Therapie solle sich nicht am allgemeinen Tierschutzstandard orientieren sondern an den Grundbedürfnissen der jeweiligen Art. Aber an dieser Stelle höre ich auf, über dieses Thema zu schreiben, denn ich bin der Überzeugung, dass man Tierschutz viel effektiver vorantreiben kann, wenn man in Aufklärungsarbeit investiert. Aufklärung der Menschen generell über die Bedürfnisse der Tiere und auch Aufklärung der Menschen, die sich für tiergestützte Therapien interessieren. Wenn wir unsere Anstrengungen auf den Bereich der Sensibilisierung für leidende Tiere fokussieren, dann können wir etwas bewegen. Und mit leidenden Tiere meine ich nicht Tiere, denen man aufgrund von Hunger, schlechter Pflege oder schlechtem Futter, schlechtem Gesundheitszustand etc. eine Not ansieht. Hier greift dann meist (so langsam) das Tierschutzgesetz. Zumindest in Deutschland und zumindest hin und wieder. Bereits hier sollte viel mehr geschehen – kein falsch verstandener Aktionismus, bei dem dann Tiere, die draußen gehalten werden und frische Luft etc. genießen dürfen, bei jedem kleinen Regenschauer von der Weide geholt werden müssen… etc. Es gibt hier auch so viele Negativbeispiele, aber darum soll es an dieser Stelle nicht gehen.

 

Mit „Sensibilisierung“ meine ich, dass Menschen lernen wahrzunehmen, wenn ein Tier auch psychisch leidet. Und hier sind wir schon mittendrin im Thema Therapietiere und Tierschutz. Denn allzu viele Therapiepferde werden aus wirtschaftlichen Gründen zu oft eingesetzt, sind dadurch gestresst und leiden. Da Pferde überaus gutmütige und harmoniesuchende Tiere sind die dazu noch alles versuchen um sich ihre Not nicht ansehen zu lassen (denn Pferde, die wild leben und denen es erkennbar nicht gut geht, werden zur leichten Beute für die natürlichen Feinde dieser Herdentiere) – daher braucht es das Wissen um die äußerlich sichtbaren Anzeichen für Stress etc.

 

Ein Mammutprojekt – ich weiß. Dennoch – beim Hund z.B. ist das ein Stück weit bereits so. Klar, dort ist es auch viel offensichtlicher. Doch wenn wir zumindest die Menschen in unserem Umfeld informieren und darüber hinaus noch kreative und innovative Maßnahmen anstoßen um unsere Mitmenschen für unsere Mit-Geschöpfe zu sensibilisieren, dann kann sich da vieles ändern. Da bin ich mir sicher.

 

Ich könnte nun noch seitenweise weiterschreiben – tue das sicherlich auch irgendwann einmal :-), aber nicht jetzt :-).

 

 

Letztlich ist wichtig zu wissen, dass beim Therapiehof Brachfeld ein Schwerpunkt der Ausbildung und auch der anderen Kurse der ist, gerade hierfür zu sensibilisieren. Wer achtsam mit seinem Pferd umgeht und darüber informiert ist, was für Lebensbedingungen es benötigt, um dauerhaft gesund bleiben zu können, der ergreift die nötigen Veränderungen. Automatisch. Wer wirklich verstanden hat, um was es hierbei geht, der macht nicht weiter wie bisher. Ganz sicher!

 

Und wer die Inhalte der ganzheitlich-funktionellen Reittherapie verinnerlicht hat, der benötigt auch keinen externen Druck seines Weiterbildungsanbieters, um sich regelmäßig fortzubilden oder um von externen Stellen kontrolliert oder überprüft zu werden. Solche zugegeben äußerst cleveren Geschäftsmodelle, die darauf basieren, dass die Absolventen der Ausbildungen in ihrer Außendarstellung nur eine begrenzte Zeit auf den Träger der Ausbildung verweisen dürfen (meist ist es üblich, den Namen des Trägers in Klammern hinter die Bezeichnung „Reittherapeutin“ zu setzen), innerhalb dieser Zeit muss dann eine Fortbildung beim Träger (oder seiner Partner) besucht werden, dann kann die „Lizenz“ verlängert werden.

 

Bei Therapiehof Brachfeld gibt es auch so etwas nicht. Jede Absolventin die die Ausbildung zur ganzheitlich-funktionellen Reittherapie beim Therapiehof Brachfeld erfolgreich abgeschlossen hat, darf selbstverständlich frei wählen, wo sie sich weiterbilden wird. Dass sie sich weiterbilden wird, wird für sie selbstverständlich sein denn bisher ging es noch jedem „klugen Kopf“ so - nicht nur Einstein und Sokrates -, dass er/sie zur Erkenntnis kam: „je mehr ich weiß, desto mehr weiß ich, dass ich nicht(s) weiß“ und damit ist automatisch das Verlangen da, noch tiefer zu verstehen, mehr zu lernen etc. Und wo das geschieht – ob hier beim Therapiehof Brachfeld oder anderswo – das möchte ich persönlich niemandem vorschreiben und auch von niemandem „erkaufen“. Jeder wird seinen Weg finden und gehen können.

 

Aus all diesen Überlegungen heraus gibt es beim Therapiehof Brachfeld keinen Hinweis auf eine Anerkennung irgendeines Dach- oder Berufsverbandes. Aber wer weiß, sollte sich auf diesem Gebiet etwas in die meiner Ansicht nach richtige Richtung ändern – dann kann sich auch dies ändern :-).

 

 

Viele hinterfragende Grüße vom Brachfeld,

Sandra Rauch

 

 

 

1 Der Kurs ist gem. § 4 Nr. 21a)bb) UStG als Bildungsmaßnahme von der Umsatzsteuer befreit.